13. Februar 2024
Matthias Wagener

Warum nicht einfach kompensieren?

In einer Welt, in der sich manchmal das Gefühl des immerwährenden Konsums ausbreitet, scheinen die Herausforderungen des Klimawandels wichtiger denn je. Die Nutzung der Begriffe „klimaneutral“ oder „CO2-neutral“ ist in diesem Zusammenhang eine bekannte Strategie vieler Marken, unser Gewissen in Bezug auf unser Kaufverhalten zu beruhigen. Obwohl der Begriff in der heutigen Geschäftswelt weit verbreitet ist, gibt es eine Reihe von Komplexitäten und Missverständnissen, welche mit diesen Begriffen verbunden sind – die wir versuchen im folgenden Blogbeitrag darzustellen.

Klimaneutral - Wirklich?

Der Begriff “klimaneutral”, als Synonym für umweltfreundliches Verhalten, impliziert, dass alle CO2 Emissionen einer Person oder eines Unternehmens, welche durch wirtschaftliche und private Aktivitäten verursacht werden, durch bestimmte Maßnahmen ausgeglichen werden.

Während die genauen Ursprünge des Begriffes schwer festzustellen sind, gibt es doch mehrere Meilensteine in der internationalen Politik, welche als Basis für die Kumulation verstanden werden können. Ein Beispiel ist die Stockholmer Konferenz von 1972, bei der erstmals 1.200 Vertreter*innen aus 113 Staaten aufeinandertrafen, um Ihre Verantwortungen gegenüber dem Umweltschutz zu diskutieren. Während dies ein erster Schritt in die richtige Richtung war, konnte man sich erst 25 Jahre später bei der dritten Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen mit dem Kyoto-Protokoll auf eine rechtliche Bindung einigen.

Aus diesen Prozessen kann man sich erschließen, dass Begrifflichkeiten entstanden sind, die die wissenschaftlichen Prozesse für die Zivilgesellschaft verständlicher machen sollten.

Neben der politischen Verantwortung lohnt es sich in diesem Zusammenhang auch die Idee des individuellen “CO2-Fußabdrucks” zu thematisieren. Mit wachsender Aufmerksamkeit auf das Thema, mussten große Konzerne sich anpassen und Strategien entwickeln, um dem öffentlichen und politischen Druck gerecht zu werden. Ein passendes Beispiel hierfür ist BP, ehemals „British Petroleum“, welche um die Jahrtausendwende neben der Namensänderung, BP stand nun für „Beyond Petroleum“, und einem neuen Logo auch den ersten CO2-Rechner seiner Art veröffentlichten. Ein heute noch existierendes Tool, mit dem nun einzelne Menschen Ihren persönlichen Beitrag zu den weltweiten CO2 Emissionen errechnen können – so wurde der „CO2-Fußabdruck“ geboren. Der Fokus der Diskussion verschob sich vom klimaschädlich produzierenden Großkonzern auf das Individuum – und eine seither weit debattierte Frage offenbarte sich: Wer ist Schuld – Produzent*innen oder Konsument*innen?

Diese Frage umgehend, um das Kaufverhalten der Kund*innen nicht zu minimieren, betreiben heute viele Unternehmen „Greenwashing“. Laut der Verbraucherzentrale und der WirtschaftsWoche ist es heute bewährte Praxis von Unternehmen geworden, eine Reihe von Methoden anzuwenden, um “Greenwashing” zu betreiben.

Greenwashing steht schlicht für die Praxis, Produkte, Dienstleistungen oder Produktionsformen als umweltfreundlich(er) darzustellen, als sie es sind. Durch den Missbrauch von Zertifikaten, selektive Veröffentlichung von Fakten, Inhaltsstoffen oder Verfahren oder schlicht das Verbreiten von Unwahrheiten, zeichnen Unternehmen ein Selbst-Bild für die Öffentlichkeit, mit dem sich die Kund*innen wohler fühlen und so ihr Kaufverhalten beibehalten und weiter ihren Konsum steigern.

Kompensation

Ein ähnlich wichtiger Begriff neben “klimaneutral” ist “Kompensation”. Kompensation beschreibt eine Strategie, mit der Unternehmen – im Idealfall – ihre CO2-Emissionen berechnen und anschließend mit verschiedenen Maßnahmen “ausgleichen”.

Beispiele für solche Maßnahmen sind Investitionen in erneuerbare Energiequellen, Pflanz- und Aufforstungsprojekte oder der Schutz von bestehenden Kohlenstoffsenken – natürliche Ökosysteme, die große Mengen an Kohlenstoffdioxid aufnehmen können und somit die Emissionen auszugleichen scheinen.

Durch die wachsende Relevanz nachhaltigen Wirtschaftens und das zunehmende öffentliche Interesse an Umweltthemen ist eine Vielzahl von Anbietern entstanden, die Kompensations- und ähnliche Dienstleistungen anbieten. Einige dieser Angebote sind fragwürdig und ihre Nachvollziehbarkeit ist schwer zu gewährleisten, was bereits in der Presse zur öffentlichen Kritik geführt hat.

Ein unerreichbares Ziel?

Die Problematik „Greenwashing“ ist kein Geheimnis, und doch wird sie von vielen Unternehmen ignoriert. “Greenwashing” ist oftmals ein scheinbar günstiges Vehikel, um im Wettbewerbsdruck der sozialen Marktwirtschaft nicht das Marken-Gesicht zu verlieren.

Vast Forward hat sich mit der Nachhaltigkeitsinitiative VAST GREEN das Ziel gesetzt, sich nicht vollständig auf Zertifikate zu verlassen und einen einfachen Weg in Richtung “klimaneutral” einzuschlagen – auch, weil das im Grunde ein unerreichbares Ziel ist.

Unser Motto “We Do Not Just Compensate” beschreibt unsere Einstellung zum Status Quo: Wir sind der Meinung, dass Nachhaltigkeit als fortwährende Reise verstanden werden muss, ein unumgänglicher Prozess, der nicht “abgeschlossen” werden kann. Unsere Nachhaltigkeitsreise verstehen wir selbstkritisch als Motivation und gleichzeitig einen Balanceakt zwischen Natur, Mensch und Wirtschaft. Mit diesen Gedanken im Hinterkopf haben wir in den Jahren seit 2020 einige wichtige Schritte gemacht, hin zu einer nachhaltigen Zukunft, und wir sind bestrebt, diesen Weg weiterzugehen.

Neben der andauernden Aufgabe, unsere Emissionen so detailliert wie möglich zu erfassen, positionieren wir uns in unserem beruflichen Netzwerk so als nachhaltige Partnerin und zeigen, wie Nachhaltigkeitsbemühungen und eine transparente Kommunikation darüber nicht nur hilfreich, sondern auch einfach im Team leistbar sein können.

Unsere Ansätze!

Unsere Strategie basiert nicht auf Kompensation, denn wir müssen an der Wurzel des Problems ansetzen – erkennen, wie wir Emissionen produzieren, messen und minimieren in Zusammenarbeit als Team.

Die kontinuierliche Messung und die Untersuchung der Grundlagen verfolgen wir seit 2021 kontinuierlich weiter. Wir kennen heute unseren jährlichen “CO2 Fußabdruck” sehr genau. Eine Untersuchung von Arbeitsplätzen des Teams bis hin zu Umfragen im Netzwerk hat uns entsprechende Daten der Emissionsquellen geliefert.

Auch wenn nun einer schlichten Kompensation eigentlich nichts im Weg steht, gehen wir eine Art “Extrameile”. Da wir ein „Moving Asset Business“ sind, hängt die Weiterentwicklung von Vast Forward maßgeblich von unserem Team und unserer gemeinsamen Anstrengung für nachhaltiges Wirtschaften ab. In wöchentlichen „Lunch & Learns“ bilden wir uns darum in ganz verschiedenen Bereichen der Nachhaltigkeit weiter. Dabei nutzen wir auch das Wissen externer Expert*innen, setzen in der Regel aber auf unser Team, das die Meetings leitet und vielseitige wichtige Nachhaltigkeits-Themen behandelt.

Zusätzlich haben wir wöchentlich unser “Coworking”, eine Stunde, die unseren Nachhaltigkeits-Arbeitsgruppen gewidmet ist und unseren “Sustainable Friday”, an dem unser Team selbstgewählte und eigens recherchierte Themen zur Nachhaltigkeit präsentiert und zum Diskurs motiviert.

Neben unseren Mitarbeiter*innen arbeiten wir eng mit unserem Experten-Netzwerk zusammen und haben Umfragen zu Umweltthemen wie z.B. “Green Data” durchgeführt, um sie auf unserer Nachaltigkeitsreise miteinzubeziehen. Wichtig wird für die Zukunft dabei, auch unsere Arbeitsweise als ganzes Team mit nachhaltigem Fokus weiterzuentwickeln.

We Do Not Just Compensate!

Trotz der bestehenden Problematik muss auch Vast Forward Emissionen kompensieren, denn auf dem Weg in unsere nachhaltige Zukunft ist das ein notwendiger Schritt. Ein Beispiel ist der Schutz von Regenwäldern vor der Abholzung: Das scheint eine gute Maßnahme zu sein, die, wenn richtig und weit verbreitet umgesetzt, ein wichtiger Bestandteil sein kann, um Emissionen zu binden und unsere Umwelt zu schützen.

Heute arbeiten wir mit “Wilderness International”, einem Partner, der Wälder in Peru und Kanada schützen will. Außerdem haben wir beschlossen, neben unserem Kernteam auch unser Produktions-Netzwerk in die Nachhaltigkeitsmaßnahmen mit einzubeziehen – wir sind als erweitertes Team schließlich auch alle Teil von Vast Forwards Emissions-Problem.

Die Kompensation bleibt also ein wesentlicher Bestandteil unserer Nachhaltigkeits-Strategie. Gleichzeitig bleibt es unser Ziel, nicht allein darauf zu setzen, sondern immer bei unserer eigenen Verantwortung zur Weiterentwicklung in Richtung nachhaltigen Wirtschaftens anzusetzen. Wir haben viele Ideen und Pläne für das kommende Jahr – viele Informationen zu unseren bisherigen Schritten und unseren jährlichen Impact Report teilen wir auf vast-green.com. Neben Einblicken in unsere Team Erfolge in Nachhaltigkeitsthemen wollen wir zeigen, wie wir konkret unsere Ziele angehen und was wir wie erreichen konnten.

Das kontinuierliche Streben nach Verbesserung, ein kritischer Blick auf uns selbst und die transparente Berichterstattung sind unsere Maßstäbe, um unsere Nachhaltigkeit zu fördern – als Team!

Bild: iStock/francoillustration

Sources