20. November 2024
Matthias Wagener, Fabiola Kaiser

Vast on Wheels Teil 4: USA-Klischees durch unsere deutschen Brillen

Es ist wie im Film – und gleichzeitig auch ganz anders. Als wir dieses Jahr unsere große Fahrradtour durch die USA angetreten sind, war klar, dass wir auf unserem Weg durch den “wilden Westen” mit, aus deutscher Perspektive, typisch amerikanischen Klischees konfrontiert sein würden. Aber als Radreisende, hautnah unterwegs durch kleine Orte und auf schnurgeraden US-Highways, entdeckten wir dann weit mehr als nur die Bestätigung von in deutschem Kino und TV gewachsenen Vorurteilen.

So, buckle up! Hier einige unserer kleineren und  größeren Aha-Momente über kulturelle Unterschiede zwischen Deutschland und dem “Land der unbegrenzten Möglichkeiten”.

Ein Bild, das sich absolut bestätigte: die sprichwörtliche Freundlichkeit und Offenheit der Amerikaner*innen. Die erlebten wir rund um die Uhr auf offener Straße, in Diners, Hotels, Restaurants und Supermärkten. Service wird hier großgeschrieben und das obligatorische “How are you?” ist in den meisten Fällen tatsächlich mehr als nur eine Floskel. Keine typisch deutsche höfliche Distanz, stattdessen ehrliches Interesse, Lust auf Austausch und unverfälschte Neugier.

Der Service in den USA (übrigens nicht nur in der Gastronomie, sondern überall – sogar in den Fahrradläden) ist so angenehm, dass er das Plastik-Desaster und den Fast-Food-Wahnsinn fast wettmacht – aber nur fast. Denn das sind leider nicht bloß Klischees: Im Hinblick auf Einweg-Plastik und Lebensmittelsicherheit (Stichwort: Chemikalien) ist Deutschland den USA doch noch um einiges voraus.
Wäre ja auch schade, wenn man gar nichts voneinander lernen kann!

“How are you?” – Ehrliche Frage!

Daiquiri-Drive-in statt Biergarten

Für Bier und Biergärten sind bekanntlich wir Deutschen die Expert*innen. Also war es auch nicht so verwunderlich, dass die Suche nach einem guten Bier vielerorts herausfordernd war. Aber dass das auch für sonnige Außenplätze gilt, haben wir in diesem Maße nicht erwartet: Im sonnigen Süden der USA scheint das Café- oder Restaurantleben hauptsächlich drinnen stattzufinden. Draußen Sitzmöglichkeiten zu finden ist eine echte Seltenheit, und wenn, dann sind die Plätze oft leer – die Klimaanlagen locken ins Innere. Und es wäre fast immer ein Ratespiel, ob ein Lokal offen hat oder nicht – denn hinter den oft verdunkelten Fenstern wirkt alles ein bisschen wie ein Geheimclub. Zum Glück gibt es überall (Klischee!) die blinkenden “Open”-Schilder, die keine Verlegenheit aufkommen lassen!

Warum das so ist? Vielleicht hängen die abgeschotteten Sitzgelegenheiten und wenig einladenden Laden-Fronten mit den strengen Alkoholvorschriften zusammen? Andererseits – so ein Tabu kann der Alkoholkonsum auch nicht sein, wenn es an jeder Ecke einen Daiquiri-Drive-in gibt. Kein Witz: Hier bekommt man Cocktails im Plastikbecher durchs Autofenster serviert – ein Colabecher für den Daiquiri to go, bitte. Danke!

Dass Schwangere nicht in den Genuss dieser Drive-in-Cocktails oder irgendeiner anderen Form von Alkohol kommen sollten, ist klar. Sollte man meinen – dennoch erinnert in jeder Bar ein Hinweisschild daran. Genauso wie ans Händewaschen nach dem Toilettengang, insbesondere für die Angestellten. Diese “Erziehungsmaßnahmen” ziehen sich durch das ganze Land und brachten uns das eine oder andere Mal zum Schmunzeln.

Aber die Amis scheinen sowieso ein Faible für Schilder zu haben: Es gibt kaum ein Grundstück, das ohne persönliches Statement auskommt. Von Wahlplakaten bis hin zu riesiger Anwaltswerbung wie aus “Better Call Saul” – es scheint hier völlig normal zu sein, die eigenen politischen Überzeugungen oder Geschäfte im Vorgarten zu plakatieren. Beim Fahrradfahren durch kleine Städte und Vororte ist also schnell zu erkennen, was den US-Amerikaner*innen wichtig ist – das wird auf jeden Fall nicht langweilig!

Mein Garten, mein Schild

Car Country – mit Begeisterung für deutsche Autos

Was sich außerdem bestätigte: Die Distanzen sind groß, die Menschen sind mobil! Amerika ist ein “Car Country” durch und durch. Und bei den Regeln im Verkehr gibt es zwar z. B. Geschwindigkeitsbegrenzungen – während aber Lkw in Deutschland mit weiter reduzierter Geschwindigkeit besser das Rechtsfahrgebot einhalten, brettern 30-Tonner wie Holztransporter in den USA mit derselben Geschwindigkeit wie Pkw über die Highways – und das oft mittendrin im Gewusel der vielspurigen Highways und Interstates. Das sorgte bei uns Radlern auch mal für ein paar heikle Situationen. Umso schöner war dafür aber die Begeisterung, mit der uns die Locals von ihrer eigenen Verbindung zu Deutschland erzählten. Die Freundlichkeit gegenüber deutschen Touris war überall spürbar und war immer wieder eine Basis für das eine oder andere Gespräch über – wer hätte es gedacht – deutsche Autos (“You’re from Germany? I own a Porsche!”) und Verwandtschaftsbeziehungen (“My ancestors are from there, too!”).

Die Liste der Eigenheiten ist lang – nicht alle sind nach unserem Geschmack, aber hören nicht auf, uns extrem zu faszinieren. Nach insgesamt fünf Monaten auf amerikanischen Straßen verabschieden wir uns daher mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Die USA haben uns begeistert, überrascht und immer wieder ins Staunen versetzt. Ein beeindruckendes Land, das ein Mix aus Filmkulisse und echter Begegnung bleibt und das mit all den Klischees einfach genau so ist, wie wir es uns irgendwie immer vorgestellt haben – aber eben auch ganz anders.

Stay tuned, wenn wir als nächstes wieder die Radwege Europas erkunden – oder irgendwann nochmal zurückkehren in den wilden Westen! Auf Instagram und Youtube nehmen wir dich mit auf unsere Reisen.

Das Land der unbegrenzten Faszination